Zeitgenössische Phantastik („Urban Fantasy“) im Stile eines Hardboiled Detektivromans. Oder auch: Eine Art Philip Marlowe mit magischen Kräften sucht einen verschollenen Ehemann und einen Serienkiller, während er selbst im Fokus der menschlichen und magischen Polizei und einer Verbrecherorganisation steht.
Handlung
Harry Dresden ist Privatdetektiv in Chicago. Wie Philip Marlowe hat er ein düsteres Büro mit einer Tür mit Glasfenster und ist praktisch pleite. Wir lernen ihn kennen, als der Briefträger ihm die aktuelle Mahnung des Vermieters per Einschreiben zustellt und sich dabei über das Türschild „Harry Dresden, Magier“ amüsiert. Keine zwei Seiten, und schon weiß der geneigte Leser alles über die Maskerade in diesem Setting, was er wissen muss: Die Magie versteckt sich nicht unbedingt, aber die langweilen Menschen glauben einfach nicht dran.
Es folgen gleich zwei Damen und Nöten. Die erste vermisst ihren Mann und hat offensichtlich große Angst vor Dresden. Die zweite ist eigentlich mitnichten in Nöten, sondern toughe Leiterin der Sonderermittlungseinheit in Downtown Chicago, die sich um „ungewöhnliche“ Verbrechen kümmert. Beide brauchen Dresdens Hilfe, und er muss sich gleichzeitig um beider Aufträge kümmern – er braucht halt das Geld. Das könnte er auch ganz einfach verdienen, indem er stattdessen das Angebot des lokalen Gangsterbosses annimmt, aber ein Mann hat ja seine Standards.
Ehe man sich versieht, ist man mit Harry Dresden mittendrin in einer Geschichte um Menschen, deren es buchstäblich das Herz zerreißt (wirklich unappetitlich, so ein Tatort, nachdem ein Brustkorb von innen explodiert), und seine Detektivarbeit steht im Fokus dreier mächtiger Organisationen:
Die Polizei will seine Expertise für das Übernatürliche und „kranken Scheiß“ für ihre Ermittlung des Täters in dem Mordfall und droht, ihn nicht mehr zu engagieren, wenn er nicht bald Ergebnisse bringt.
Der Boss eines Verbrechersyndikats hingegen es lieber, wenn Dresden mal ein paar Tage von ihm bezahlten Urlaub macht. Möglichst weit weg, irgendwo, wo es nett ist. Besonders aber weit entfernt von diesem Fall. Warum? Nun, dafür muss man schon die ersten Kapitel lesen, hier wären das Spoiler.
Der weiße Rat der Magier sitzt ihm im Nacken. Dresden ist auf Bewährung, weil er in jungen Jahren einen Magier in Notwehr getötet hat. Nur ein kleiner Fehltritt reicht, um ihm die einzige Strafe einzuhandeln, die der Rat anwendet: den Tod. Sein „Bewährungshelfer“ traut ihm keinen Zentimeter und wartet nur darauf, dass Dresden diesen Fehltritt begeht und er ihn mit seinem absurd scharfen Schwert hinrichten kann. Recherchen im Bereich von dunkler Magie, insbesondere von Zaubern, die anderen Leuten das Herz explodieren lassen, sind da jetzt nicht unbedingt die richtige Botschaft.
Der Fall hat Action, Grusel, Tempo und ist wirklich spannend. Er ist der erste Teil einer Buchserie abgeschlossener Fälle, die bisher fünfzehn Bände und einige Kurzgeschichten umfasst.
Über die Serie
Die dunklen Fälle des Harry Dresden sind fast schon genredefinierend für „Urban Fantasy“. Eine Welt mit relativ wenig Magie (die Menschen sind in der Überzahl), gleichzeitig düster und an anderen Stellen einfach komisch. Das macht sie (unter anderem) einfach zu einer der besten Serien, die dieses Genre anzubieten hat.
Die Charaktere haben durch die Bank weg Tiefe. Bei vielen ist nicht durchgehend klar, ob sie nun „gut“ oder „böse“ sind (außer dem Ritter des Kreuzes Michael, aber den treffen wir im ersten Band nicht). Vielmehr haben sie verständliche und nachvollziehbare Gründe und Motive für ihr Handeln. Sie sind mal gefährliche Gegner, mal mächtige Verbündete und manchmal unwichtige Seitenfigur, und das ändert sich regelmäßig über die Romanserie, abhängig davon, ob sie und Dresden gerade gemeinsame oder entgegengesetzte Ziele haben.
Ich schließe mit folgendem, sehr schönen Zitat aus der Serie, dass ich aus Gründen des Copyrights lieber selbst übersetze, als es aus dem deutschen Roman abzuschreiben:
Mein Name ist Harry Blackstone Copperfield Dresden, Magier. Anrufung auf eigenes Risiko. Wenn die Dinge seltsam werden, wenn was bei Ihnen poltert das Licht anknipst, wenn Ihnen sonst niemand helfen kann, melden Sie sich. Ich stehe in den Gelben Seiten.
Jim Butcher, Storm Front (eigene Übersetzung)
Ausgaben:
- Taschenbuch (Feder & Schwert; 11,99 €)
- Kindle (6,99 €)
- ePUB (Tolino; 6,99 €)
- Onleihe der Stadtbücherei Iserlohn
- Hörbuch
- Audible (19,95 € oder 1 Guthaben)
Es gibt auch eine Fernsehserie zur Romanserie, aber ich würde da die Pfoten von lassen. Man sollte das lieber jetzt, wo schon fünfzehn Bände erschienen sind, lieber nochmal neu versuchen.